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Gustavo Bueno

Der Mythos der Kultur
Essay einer materialistischen Kulturphilosophie
Übersetzung und Einleitung von Nicole Holzenthal

Peter Lang, Bern 2002
150×220 mm, 379 S., ISBN 3-906758-21-4

Die heutige (objektuale) Idee der Kultur begann im 19. Jahrhundert, ausgehend von Ansätzen deutscher Philosophen (vor allem Herder, Fichte, Hegel...), sich in eine der ideologischen Hauptideen der modernen Gesellschaften zu verwandeln und hat gegen Ende des 20. Jahrhunderts die höchste Stellung unter ihnen erreicht. In den unterschiedlichsten Gesellschaften christlicher Tradition hat die Idee der Kultur die Rolle der Idée-force inne, in deren Sinne praktische und «geistige» Wirklichkeiten wie Mensch, Freiheit oder Nation definiert werden (der Mensch als «kulturelles Tier», wahre Freiheit als «mittels Kultur erreichbar», auch Nation wird durch Kultur definiert).

Das Ideal des Kulturstaates hat heute mehr Prestige als das des Rechtsstaates oder das des Wohlfahrtsstaates. In den entsprechenden Verfassungen sind als wesentliche Staatsaufgaben die Förderung der Nationalkultur und die Zugangsermöglichung aller Bürger zur Kultur verankert.

Trotzdem versteht niemand, was Kultur eigentlich ist. Bei einer genaueren Untersuchung stellt sich die aktuelle Idee der objektualen Kultur als höchst konfus heraus, als ein verdunkelnder oder obskurantistischer Mythos, ähnlich dessen der mittelalterlichen Gnade Gottes oder des Rassenmythos in der ersten Hälfte 20. Jahrhunderts.

Der spanische Philosoph Gustavo Bueno hat sich bei dieser Arbeit nicht nur zum Ziel gesetzt, den Mythos-Charakter dieser Idee zu «diagnostizieren», sondern auch eine präzise Analyse von Entstehung, Struktur und Funktionen dieser Idee durchzuführen, um die Idee der Kultur endlich «aufzuklären».

Die deutsche Übersetzung eines Buches von Gustavo Bueno, Der Mythos der Kultur, hat die Bedeutung, eine Beschäftigung deutschsprachiger Philosophen, Wissenschaftler und Philosophie-Interessierter jeglicher Richtung mit dem Ansatz dieser Kulturphilosophie überhaupt erst zu ermöglichen. Das Buch eignet sich als erster Schritt in dieser Richtung besonders, da es sich intensiv mit Äußerungen deutscher Philosophen (neben den oben genannten Herder, Fichte, Hegel, auch Marx, Dilthey, Frobenius, Cassirer, Spengler, Dempf, usw.) zum Thema Kultur auseinander setzt.

Unseres Erachtens ist das Buch in erster Linie interessant für Philosophen (aller Bereiche der Philosophie, im Besonderen aber der Kulturphilosophie), für Kulturwissenschaftler aller Einzeldisziplinen, Anthropologen und Ethnologen, Soziologen, Hispanisten, auch Feuilletonisten und Journalisten, richtet sich aber auch an alle sonstigen Leser, die sich gerne herausfordern lassen...




Inhaltsverzeichnis

Einführung: Der philosophische Materialismus und Der Mythos der Kultur von Gustavo Bueno (Nicole HoIzenthal) 9
Versuch einer Kurzbeschreibung des philosophischen Materialismus 11
Der Essay Der Mythos der Kultur 19
Die Stellung des Essays innerhalb des bisher publizierten Werks 19
Strukturen der Materialanordnung innerhalb des Essays 20
Die Übersetzung 23
Die Tradition 23
Probleme der Übersetzung und deren Lösung 24
Danke 28
Abkürzungen 30
 
Der Mythos der Kultur.
Essay einer materialistischen Kulturphilosophie
Vorbemerkung: Die Kultur als Mythos 31
Der Prestigegewinn der Idee der «Kultur» und die gleichzeitig zunehmende Verworrenheit ihrer Bedeutungen 31
Nimmt die Idee der Kultur in unserer Zeit nicht Funktionen eines verdunkelnden und verwirrenden Mythos wahr? 42
Unser Vorschlag zur Ent-mythologisierung und seine Reichweite 53
I. Vorgeschichte zur Idee der Kultur: die Idee der «subjektiven Kultur» 55
Geläufige Gebrauchsweisen des Wortes Kultur, die einen subjektiven Sinn der Idee umfassen 55
Philosophische Kulturtheorien, die sich um eine subjektive Bedeutung der Idee strukturieren 66
II. Geburt und Reifung der metaphysischen Idee der Kultur in der deutschen Philosophie 77
Die neuzeitliche (metaphysische) Idee der Kultur überschreitet ihre traditionellen, subjektiven Wortbedeutungen, ohne sich aber von ihnen vollständig zu lösen 77
Die metaphysische Idee der objektiven Kultur ist keine ewige Idee, sondern eine Kreatur der deutschen Philosophie 81
Das Embryo der neuen Idee der Kultur findet sich in den Werken Herders 88
Erste Schritte der neuen Idee der Kultur und ihre Begegnung mit der Politik: Johann Gottlieb Fichte 95
Die Entwicklung der metaphysischen Idee der Kultur in Hegels System 100
Die möglichen Evolutionswege der metaphysischen Idee der Kultur bei ihrer Gegenüberstellung mit den Ideen des Menschen und der Natur 103
Die Evolution der metaphysischen Idee der Kultur auf den Pfaden des «Spiritualismus» 110
Die Evolution der metaphysischen Idee der Kultur auf den Pfaden des «Materialismus» 115
Die Konfluenz der metaphysischen Idee der «Kultur» mit der metaphysischen Idee der «Produktion» 125
III. Die Idee der Kultur als Feld der wissenschaftlichen Forschung. Die Kulturanthropologie als «Kulturologie» 133
Die Idee der Kultur als positives, wissenschaftliches Konzept und seine Varianten 133
Die Idee der Kultur und die «Kulturanthropologie» 141
IV. Die Idee der Kultur als konstituierende praktische Idee. Der «Kulturstaat» 151
Die Idee der Kultur als «Idée-force» 151
Die praktischen Funktionen der Idee der Kultur, Forderungen zu stellen 152
Vier Fronten der Forderung: die humanistische, die ethnische, die Klassenfront und die akademische Front 153
Die politische Front: die mit der praktischen Idee der Kultur verbundenen Ansprucherhebungen 161
V. Die Entstehung der metaphysischen Idee der Kultur. Das «Reich der Gnade» und das «Reich der Kultur» 169
Die neuzeitliche Idee der Kultur hat Rückwirkungen auf die traditionelle Idee der subjektiven Kultur 169
Die neuzeitliche Idee der Kultur ist keine Creatio ex nihilo, sie geht jedoch genauso wenig aus der bloßen Evolution der traditionellen subjektiven Idee hervor: Ihre Vorläufer finden sich im christlichen Mittelalter 171
Die neuzeitliche, metaphysische Idee der Kultur ist eine Säkularisation der theologischen Idee des «Reichs der Gnade» 177
Das «Volk Gottes», die «heiligmachende Gnade» und die «Nationalkultur» 186
Die theologische Idee der Gnade als inkonsistenter Mythos 194
VI. Der Mythos der organischen Einheit der Kultur und die Wirklichkeit der Kulturkategorien 199
Prekäres am Konzept der «Kulturkategorien» 210
Der Mythos von der kategorialen Einheit der menschlichen Kultur 216
VII. Der Mythos der «kulturellen Identität» und die Realität der Kultursphären. Die objektiven Kulturen als morphodynamische Systeme 219
Unser Vorhaben, am praktischen Gebrauch der Idee der «kulturellen Identität» Kritik zu üben 219
Verschiedene Bedeutungen des Ausdrucks «kulturelle Identität» 219
Die Idee der «kulturellen Identität» ist nicht einfach, sondern komplex 223
Unterscheidung von drei konstituierenden Linien der kulturellen Identität des «komplexen Ganzen» und ihr Nutzen zur Systematisierung verschiedener Kulturtheorien 227
Die Identität einer Kultur als dynamisches System 235
Die Vielfältigkeit kultureller Identitäten 238
Ist eine «positive» Idee der kulturellen Identität erkennbar? 243
Die Kultur und der Mensch 247
VIII. Über ein Gesetz der «umgekehrten Entwicklung» von Kultursphären und Kulturkategorien 257
Die Frage nach der «Dynamik der Kulturen» 257
Die Struktur der Dynamik menschlicher Kulturen 258
Das logisch-materielle Modell zur kulturellen Dynamik 259
Kommentare zu dem vorgeschlagenen logisch-materiellen Modell 260
Kulturelle Dynamik und kulturelle Variation 267
Die geschichtliche Dynamik der Kulturen und ihr strukturelles Entwicklungsgesetz 268
Folgesätze zum Entwicklungsgesetz der kulturellen Dynamik 274
IX. Der Mythos der Universalkultur und die kosmopolitische Kitsch-Kultur 279
Es gibt keine «Universalkultur» 279
Der mythische Charakter des Projekts einer «Universalkultur» 285
Schlussbemerkung: Die Kultur als Opium des Volkes 295
Bibliographie 305
Glossar 313
Sachverzeichnis 349
Namenverzeichnis 367