Gustavo Bueno
Philosophie heute
Antworten auf Fragen von Volker Rühle
(Aus dem Spanischem übersetzt von Ruth Zimmerling)
[ Volker Rühle (Hrsg.) Beiträge zur Philosophie aus Spanien. Freiburg/München: Verlag Karl Alber, 1992. 55-92. ]
Die drei Fragen, die Volker Rühle einer recht weitgefächerten Gruppe von Personen vorgelegt hat, deren «gemeinsamer Nenner» es ist, daß sie alle Philosophieprofessoren in Spanien sind, scheinen mir insgesamt gesehen hinreichend und wohl auch notwendig, um ein Antwortspektrum zu erzielen, anhand dessen sich der interessierte deutsche Leser eine wenn auch vorläufige Vorstellung von dem bilden kann, was der mehrdeutige Ausdruck «spanisches Denken am Ende des 20. Jahrhunderts» bezeichnet. Ich vermute, die Gegeneinanderstellung der Ergebnisse von Volker Rühles Befragung wird den Standpunkt bestätigen, den ich in meinen eigenen Antworten diesbezüglich einnehme: daß nämlich die Begriffseinheit von «Philosophieprofessoren am Ende des 20. Jahrhunderts» grundlegend administrativer Art ist, was allerdings ein Minimum an gemeinsamen kulturellen Standards keineswegs ausschließt, sondern vielmehr impliziert (wie zum Beispiel: daß man die gleichen - immer weniger zahlreichen - Lehrbücher gelesen hat, daß man gelegentlich Platon oder Wittgenstein zitiert oder daß man gewisse die Zunft verratende Schlagwörter benutzt wie «ontisch», «Syllogismus», «transzendental», «illokutionär», «gnoseologisch» ...). Solche Gemeinsamkeiten des Berufsstands erlauben es aber noch nicht, von einer «spanischen Philosophengemeinschaft» in dem Sinne zu sprechen, wie man häufig von einer scientific community spricht. Eine Gemeinschaft setzt einen - wenn auch vielleicht immer wieder neu auszuhandelnden - [56] Konsens hinsichtlich gewisser Methoden, Themenbereiche und Prinzipien bei den Personen voraus, die sich untereinander namentlich kennen und jeweils die «Gemeinschaft der Mathematiker», «Gemeinschaft der Physiker» usw. bilden. Die «Menge der Philosophieprofessoren» dagegen ermangelt nicht nur jedes Konsenses, was Methoden, Themen oder Lehrmeinungen betrifft; ihre Mitglieder sind sich auch noch nicht einmal (geistig) bekannt, da sie sich gegenseitig ignorieren und einer den anderen weder zitiert noch liest oder anhört, weil sie mehrheitlich vollauf damit beschaftigt sind, ausländische Denker zu lesen, anzuhören und zu zitieren.
Die drei von Volker Rühle vorgelegten Fragen sind wohl bewußt sehr allgemein formuliert, um jedem Gefragten die Möglichkeit zu geben, sie «nach eigener Inspiration» zu interpretieren. Es scheint mir also angebracht, meine Antworten dadurch auf den Weg zu bringen, daß ich zunächst einmal darlege, wie ich die Fragen aufzufassen gedenke.
I. Wie läßt sich allgemein die Verantwortlichkeit der Philosophie angesichts des derzeitigen Zustands der Welt beschreiben?
II. Inwieweit ist die Lehre vom Selbstbewußtsein ein Prüfstein, um die Selbsterkenntnis der Verantwortlichkeit der gegenwärtigen Philosophie zu ermessen?
III. Wie lassen sich die Bedeutung und die Position darstellen, die im europäischen Kontext heute dem philosophischen Denken zukommen, das in Spanien und aus Spanien entsteht?
Meine Antwort auf die erste Frage wird im Rahmen des mir zur Verfügung stehenden Platzes die umfangreichste sein. [57] Sie enthält notwendigerweise eine Analyse des Begriffs der «Gegenwart», der auch für die zweite Frage eine Erläuterung verlangt und in der dritten ebenfalls impliziert ist. Die beiden letzten Fragen lassen sich daher kürzer beantworten.
I. Wie läßt sich allgemein die Verantwortlichkeit der Philosophie angesichts des derzeitigen Zustands der Welt beschreiben?
Die Idee der «Gegenwart» als historische Dimension wird häufig aus einer Perspektive behandelt, die eigentlich nichts anderes als eine proleptische Perspektive ist: Die Idee der Gegenwart wird sozusagen «mit Blick auf die Zukunft» aufgezeigt. Die «Gegenwart» erscheint uns damit als der historische Ort, an dem sich nach Abschluß einer Etappe das kommende Zeitalter ankündigt. Dieses Zeitalter wird im übrigen, je nach den angelegten Kriterien, in ganz unterschiedlicher Weise aufgefaßt: «Dekadenz des Westens», «Ende des Monopolkapitalismus», «Zeitalter der Eroberung des Raums», «Zeitalter des Heiligen Geistes», «Zeitalter der Begegnungen der dritten Art», «Postmoderne Epoche», «Dritte Welle» usw.
Ich will gar nicht bestreiten, daß die proleptische Perspektive für die Analyse der Idee der Gegenwart fruchtbar sein kann, wenn es darum geht, die Verantwortlichkeiten oder Funktionen zu bestimmen, die der Philosophie beim «gegenwärtigen Zustand der Welt» zukommen mögen. Es scheint mir aber angesichts der geringen Positivität, die ihre Ergebnisse für sich beanspruchen können, doch angebracht, sie zugunsten der umgekehrten Blickrichtung aufzugeben, also der Perspektive, aus der uns die «Gegenwart» «mit Blick auf die Vergangenheit» erkennbar wird, wobei hier sogar mehr oder weniger weite Bereiche des [58] chronologischen Präteritums «einbezogen» werden können. Wir wollen also, ausgehend von der Jetztzeit, den Verlauf der Geschichte zurückverfolgen, bis wir in den verschiedenen ins Auge gefaßten Verlaufslinien auf «Wendepunkte» stoßen, die für die Philosophie von Bedeutung sein könnten. Eine durch diese Punkte gezogene Linie kann dann als Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit in dem uns hier interessierenden Sinne dienen.
Unser Interesse gilt hier selbstverständlich nicht der Idee der Gegenwart ganz allgemein, sondern im Hinblick auf die Philosophie; wir interessieren uns also für diejenigen Merkmale einer retrospektiven, makrohistorischen Gegenwart, die für die Positionsbestimmung der Philosophie in unserer Zeit als wichtig angesehen werden können.
Ich will insbesondere auf drei Wendepunkte eingehen, die mir für unsere Zwecke von höchster Bedeutung erscheinen und die jeweils durch sprachliche, erkenntnistheoretische bzw. politische Kriterien bestimmt sind. Der «Kreis der philosophischen Gegenwart» - wobei Gegenwart hier auf einer nicht auf die flüchtige Realität des Hier und Heute zu reduzierenden Dimension zu verstehen ist - Iäßt sich mit Hilfe einer Linie durch diese drei Wendepunkte abstecken. Im übrigen werfen die vorgeschlagenen Wendepunkte unterschiedliche, wenn auch dialektisch sich überlagernde Lichter auf die Philosophie der Gegenwart. Der sprachliche Wendepunkt verleiht der Philosophie unserer historischen Gegenwart (im Vergleich mit ihrer Position in der Vergangenheit) auf formale Weise eine «partikularistische» Färbung; der erkenntnistheoretische Wendepunkt ist im Hinblick auf den Gegensatz partikular/universal formal neutral (sein Einfluß auf die Philosophie ist formal neutral, obwohl er für sie material das Prinzip eines so entscheidenden Wandels bedeuten mag, wie es der Übergang vom präphilosophischen Zustand der Unsicherheit und des [59] Zweifels zum präphilosophischen Zustand der rationalen Gewißheit ist); der politische Wendepunkt schließlich versucht, der Philosophie der Gegenwart eine «universalistische» Orientierung zu geben, die der dem sprachlichen Wendepunkt zugeschriebenen partikularistischen Ausrichtung entgegenzulaufen scheint.
(1) Zunächst mit wenigen Worten das, was wir unter der «sprachlichen Wende» verstehen, die von Anfang an unsere kulturelle Gegenwart bestimmt, soweit sie für die Philosophie formal von Bedeutung ist: Es handelt sich um den Zerfall der Republica litterarum, von der man letzte Reste noch Mitte des achtzehnten Jahrhunderts auffinden konnte, obwohl die Krise schon ein Jahrhundert zuvor begonnen hatte. Die europäischen Nationalsprachen - das Italienische, Englische, Französische, Deutsche, Spanische - ersetzen das Lateinische, das mehr als ein Jahrtausend lang die Sprache der Philosophie (und auch der Wissenschaft und des Rechts) in Europa gewesen war. Unter diesem Gesichtspunkt definiert sich die Gegenwart im makrohistorischen Sinn für uns als die Epoche, in der sich die Philosophie in Nationalsprachen, das heißt im Grunde in einigen europäischen Nationalsprachen ausdrückt. Unsere chronologische Gegenwart stellt aus dieser Sicht mitnichten den Anbruch einer neuen (von manchen heute «Postmoderne» genannten) Epoche dar, sondern gehört auch weiterhin zur «Moderne»; die Veränderungen, die sich mikrohistorisch gesehen selbstverständlich feststellen lassen, sind dabei irrelevant. Angesichts der Abhängigkeit des philosophischen Denkens von der Sprache ist dies von größter Bedeutung, wobei aber diese Abhängigkeit hier nicht im quasi-psychologischen generischen Sinne der allseits bekannten Auffassung der sogenannten Analytischen Philosophie von der Beziehung zwischen «Philosophie» [60] und «Sprache» («Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt») zu verstehen ist, sondern im kulturgeschichtlichen Sinn, der sich auf die Beziehungen zwischen philosophischem Denken und den verschiedenen Nationalsprachen bezieht, in denen sich dieses Denken in der Neuzeit ausgedrückt hat. Wenn der Kantische «Weltbegriff» der Philosophie als «Gesetzgebung der Vernunft» irgendeinen positiven Sinn hat, dann ist dieser, wie mir scheint, vor allem durch die Nationalsprachen wirksam, durch ihre syntaktischen und semantischen Strukturen, die ihrerseits von der ökonomischen, der sozialen und der kulturellen Struktur bestimmt werden. Die Hegelsche Philosophie läßt sich, was ihren Entstehungsprozeß betrifft, ebenso wenig ohne Berücksichtigung der deutschen Sprache erklären wie die Philosophie Humes ohne Berücksichtigung der englischen. Daraus ergeben sich für unser Thema äußerst wichtige Fragen: Kann man von einer besonders begünstigten Sprache sprechen? Martin Heidegger glaubte schließlich, wie Victor Farias herausgestellt hat, daß philosophisches Denken nur auf deutsch möglich sei; ja, er habe sogar eine Bereinigung von allen lateinischen Einsprengseln geplant {(1) Heidegger et le nazisme, Paris 1987, u. a. S. 303}. Kaum jemand würde es heute wagen, Heideggers These öffentlich zu vertreten oder auch nur die Frage zu stellen. Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß Philosophie auch in anderen Sprachen als der deutschen möglich ist, kann man immer noch fragen: Ist jede Sprache gleich gut geeignet? Um diese Frage zu beantworten, wären nicht nur innersprachliche Faktoren zu berücksichigen, sondern auch sogenannte außersprachliche Faktoren, so zum Beispiel die relative Größe der jeweiligen Sprachgemeinschaft im Hinblick auf die heute lebenden etwa 6 Mrd. Menschen. Es scheint Sinn zu machen, [61] von einem «kritischen Volumen» - 100 Millionen, 50 Millionen? - zu sprechen, unterhalb dessen eine Philosophie keinen dauerhaften, stabilen Ausdruck finden kann. Der Umfang einer Sprache, bezogen auf den Umfang der Menschheit zu einem bestimmten Zeitpunkt, beeinflußt die gesellschaftliche Komplexität, die Diversifizierung der in ihr vertretenen Meinungsrichtungen, das historische Alter ihrer literarischen Monumente, wie umgekehrt eine Reihe anderer Variablen den Umfang einer Sprache beeinflussen. Es scheint also sinnvoll zu fragen: Ist eine Philosophie möglich, die sich regelmäßig in litauischer oder baskischer Sprache ausdrückt? Natürlich ist dies hier nicht der Ort für eine Beantwortung dieser Frage.
(2) Der zweite Wendepunkt, der uns hilft, die Grenze zu unserer philosophischen Gegenwart zu markieren, zeigt sich uns anläßlich des endgültigen Auseinanderbrechens dessen, was man als den Block Philosophie/kategoriale Wissenschaft bezeichnen kann, in der endgültigen Aufgabe der Idee von einer wissenschaftlichen Philosophie, die dem Projekt einer universalen mathesis (von Platon bis Descartes oder Leibniz) zugrundelag und die noch in Hegel («daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie aufhört, Liebe zum Wissen zu sein, und wirkliches Wissen wird») und in Husserl («Philosophie als strenge Wissenschaft») spürbar ist. Ohne verschiedene spätere Ansätze in diese Richtung (Neuraths «Einheitswissenschaft» oder Bunges «exakte Philosophie») geringschätzen zu wollen, glaube ich doch, daß man sagen kann, daß der Bruch mit der traditionellen (vergangenen) Auffassung, wonach die philosophischen Wissenschaften - zumindest aber die Metaphysik - Wurzel und Stamm des «Baumes der Wissenschaften» seien, ein für allemal vollzogen ist. Folglich ließe sich die «Gegenwart» für die Philosophie als die Situation [61] definieren, in der es kategoriale Wissenschaften (Mechanik, Thermodynamik, Molekularbiologie, ...) gibt, die nicht von der Philosophie, sondern von verschiedenen Technologien herkommen und sich völlig unabhängig von der Philosophie organisieren. In dieser Situation kann die Philosophie auch nicht mehr die Eigenschaften einer obersten Wissenschaft oder auch nur die einer kategorialen Wissenschaft neben anderen für sich beanspruchen.
Wir können demnach die Gegenwart der Philosophie als die Situation definieren, in der die Philosophie aufgehört hat, «absolute Erkenntnis» zu sein, und anerkennt, daß es andere, autonome kategoriale Erkenntnisse gibt, die sich nicht anzweifeln lassen (die kategorialen Wissenschaften bilden so die aktuelle Kritik der pyrrhonischen Skepsis) und mit denen man nicht einfach tabula rasa machen kann, wie es noch Descartes - aber eben in einer vergangenen Zeit - tun konnte, in der sich die modernen kategorialen Wissenschaften noch nicht ausgebildet hatten (auch die cartesianische Mechanik ist noch keine physische Wissenschaft; fast alle ihre Aussagen sind falsch). Selbst Newton bringt diese neue Situation noch nicht hervor. Vielmehr kann man aus dieser Sicht die Kritik der reinen Vernunft als die erste große Formulierung des unaufhebbaren Unterschieds zwischen den kategorialen Wissenschaften (damals Mathematik und Mechanik, die schon den «sicheren Weg der Wissenschaft» gefunden hatten) und der Philosophie ansehen.
Nun hat die endgültige Abtrennung der kategorialen Wissenschaften (die sich dem cartesianischen Zweifel entziehen) von der Philosophie, mit der sich nach unserem Verständnis die philosophische Gegenwart herauszubilden beginnt, vielfältige Folgen, bringt man sie mit anderen Faktoren zusammen. Verbindet man etwa das Auseinanderfallen des Blockes Wissenschaft/Philosophie mit dem im [63] letzten Abschnitt behandelten «sprachlichen» Bruch, dann zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich sich seitdem Wissenschaft und Philosophie verhalten: Während die kategorialen Wissenschaften zunehmend eine internationale Terminologie bzw. Symbolsprache entwickelten, hielt die Philosophie immer stärker an der Identifikation mit den Nationalsprachen fest, in denen sie sich ausdrückt. Im übrigen läßt der Bruch vielfältige Interpretationen zu, wobei die fideistische, die sogar so etwas wie philosophischer Irrationalismus (so widersprüchlich dieser Ausdruck auch sein mag) zu sein beansprucht, von nicht geringer Bedeutung ist. Demnach müßte sich alles, was nicht kategoriale Wissenschaft ist, dem Glauben, der mystischen Intuition anheimgeben. Die Philosophie, die eben keine kategoriale Wissenschaft ist, stünde damit auf der Seite dessen, was über die Grenzen der strengen Vernunft hinausgeht, und die philosophische Gegenwart erschiene als das Reich des Fideismus, das Reich der Anerkennung des Unaussprechlichen, dessen, was jenseits der Vernunft liegt und mit Überschreiten des Horizontes der positiven Wissenschaft besondere hermeneutische Techniken verlange.
Nach meiner Auffassung ist jedoch das Auseinanderbrechen des Blockes von Wissenschaft/Philosophie nicht unbedingt im fideistischen oder irrationalistischen Sinne zu interpretieren. Es gibt sehr gute Gründe für die Behauptung, daß nicht nur die kategorialen Wissenschaften, sondern auch die Philosophie (wenn wir sie nicht in dem weiten Sinne verstehen, wie die Ethnologen es gewöhnlich tun - als so etwas wie eine «Weltanschauung» -, sondern im engeren Sinne ihrer griechischen Tradition) zum «Kreis des Logos» gehört, zur Sphäre der rationalen Kultur im üblichen (und, wie ich meine, ziemlich unglücklichen) Sinne, den diese Termini annehmen, wenn sie dem «Mythos» gegenübergestellt werden, wie es W. Nestle in [64] seinem berühmten Werk Vom Mythos zum Logos getan hat. Sicher sind die so gegenübergestellten Inhalte im algemeinen tatsächlich Gegensätze; Hesiods Theogonie kann man durchaus Parmenides’ Werk entgegenstellen (auch wenn beide in dorischen Hexametern geschrieben sind). Zweifelhaft scheint mir dagegen die Formulierung des Gegensatzes selbst zwischen den beiden gegenübergestellten denotativen Mengen. Denn damit, daß man der einen Menge das Etikett «Logos» anheftet, wird es der anderen verweigert, die dafür das Etikett «Mythos» erhält, das so implizit als Hinweis auf etwas, das nicht Logos ist, aufzufassen ist, als Etikett für das, was prä-logisch (im Sinne von Levy Bruhl), was irrational ist. Dies aber scheint mir in jeder Hinsicht unzulässig. Der «Logos» ist lange vor jenen kulturellen Ausformungen zugegen, die wir Philosophie oder Wissenschaft nennen; denn «Logos» muß man - wenn man Logos als Charakteristikum all dessen interpretiert, worin man das Wirken von Prozessen rationaler Konstruktion entdecken kann (die Wurzel von lego, logos, bedeutet ursprünglich «vereinen», «zusammenfügen», «sammeln», wie die lateinische Entsprechung legere, legio) - schon in der wohlbedachten Form einer Steinaxt, dem Geflecht eines Korbes, der Organisation einer Legion, der Anordnung und (mytho-logischen) Systematisierung einer Menge verstreuter Legenden erkennen. Folglich kann man auch nicht auf die übliche Gegenüberstellung von Mythos und Logos verweisen, um die historische Neuerung zu kennzeichnen, wie sie die großen Leistungen von Weisen wie Thales von Milet und Anaximander oder griechischen Mathematikem wie – wiederum - Thales oder Pythagoras darstellen. Vor mehr als fünfzehn Jahren habe ich versucht {(2) La Metafísica Presocrática, Oviedo 1974}, die mögliche Bedeutung der unbestreitbaren [65] Tatsache aufzuspüren, daß die meisten Vorsokratiker - von Thales bis Anaxagoras - sich auch mit der Geometrie beschäftigten; dabei habe ich mich auf die Analyse der Bedeutung des geometrischen Logos als Impulsgeber für rationale Konstruktionen gestützt, die unter Zuhilfenahme abstrakter Relatoren - wobei abstrakt hier heißt: Relatoren, die die Verwandtschaftsbeziehungen abgesondert haben - die beständigsten Ergebnisse der ganzen «Geschichte des Logos» hervorgebracht haben, und zwar aufgrund der Evidenz ihrer Schlußfolgerungen, die gleichwohl mit Hilfe außerordentlich kunstvoller Denkprozesse gezogen wurden. Man kann demnach zwei Arten rationaler Konstruktion mit Hilfe sprachlicher Symbole unterscheiden, die sich nach der Benutzung oder Nichtbenutzung von Verwandtschaftsverhältnissen als Verbindungsglieder definieren. Wir können auf diese Weise versuchen, die sogenannten «mythologischen Konstruktionen» - etwa die Theogonie Hesiods - als Konstruktionen zu charakterisieren, die Termini mit Hilfe von Verwandtschaftsbeziehungen miteinander verbinden (Vater, Sohn, Ehegatte usw.), auch wenn sie nicht menschlicher oder tierischer Natur sind; in den sogenannten «geometrischen Konstruktionen» dagegen werden Beziehungen benutzt, die sich nicht auf Verwandtschaftsverhältnisse beziehen («doppelt», «gleich», «größer als» usw.) und die natürlich auch in mythologischen Konstruktionen vorkommen. Da nun die Schöpfer dieser geometrischen Konstruktionen im allgemeinen dieselben waren, die auch die ersten großen metaphysischen Systeme aufgestellt haben - wie Anaximander oder Anaxagoras -, scheint es logisch, die Entstehung dieser großen metaphysischen Systeme als Ergebnis der Anwendung der «geometrischen Methode» auf zuvor von den «mythologischen» Kosmogonien und Theogonien urbar gemachte Felder anzusehen. Diese neue Form rationaler Konstruktion [66] war allerdings noch nicht Philosophie. Das Wort Philosophie selbst wurde denn auch auf die Vorsokratiker vor allem von der platonischen Schule und ganz besonders von Heraklides von Pontus angewandt. Das Werk der Vorsokratiker - soweit man es dem Werk der Dichter gegenüberstellen kann - brachte eine (von uns heute vorsokratische Metaphysik genannte) Konstruktionsweise auf, aus der nach der sophistischen Krise (die nichts anderes als eine Krise jener Metaphysik war) die akademische Philosophie im strengen Sinne entstehen konnte, wie sie vermittels einer hartnäckigen Überlieferung auf uns gekommen ist. Aus dieser Sicht hat die Philosophie im engeren Sinne erstmals in der platonischen Schule eine sichtbare kulturelle Gestalt angenommen.
Aber schon in der vorsokratischen Metaphysik wirkte der neue Logos mit seiner ganzen Kraft, d. h. zugleich als vernichtende Kritik an der Mytho-Logie (etwa am griechischen Polytheismus) und als unkritische Konstruktion der im Entstehen begriffenen logischen Ordnung. Das Neue am geometrisch-metaphysischen Logos zeigt sich jedoch sowohl auf seiner ontologischen als auch auf seiner gnoseologischen Seite. Ontologisch entspricht der Wille, von Verwandtschaftsverhältnissen abzugehen, dem Bedürfnis, sich auf mathematische oder physische Verhältnisse zu beziehen (auch in der «Algebra der Verwandtschaft», wo es um die Analyse sozialer Beziehungen selbst geht); und gnoseologisch entspricht er dem Willen zum Verzicht auf die Offenbarungen, die uns Götter und Göttinnen kundtun (gerade so, wie Väter und Mütter ihren Kindern Legenden offenbaren), wobei er das Bedürfnis beinhaltet, sich auf andere Quellen der (künstlerischen, politischen usw.) Erfahrung zu berufen. Gewiß beruft sich Parmenides in der Ouvertüre zu seinem Werk auf eine Göttin als Quelle der Weisheit; aber hier handelt es sich [67] um einen Grenzfall, denn was die Göttin ihm offenbart, ist im Grunde, daß sie selbst eigentlich gar nicht wirklich existiert, daß sie ein Schein ist, der im Sein aufgehen muß.
Die Konstruktionsform, die wir präsokratische Metaphysik nennen, entwickelte sich zu zwei einander entgegengesetzten Gattungen oder Familien, nämlich zu einem absoluten Monismus («Alles hängt mit allem zusammen») und zu einem absoluten Pluralismus («Nichts hängt innerlich mit irgend etwas zusammen»). Platon stellte diese Form und ihre Gattungen kritisch dar und machte damit deutlich, daß ein rationaler Diskurs nur aufrecht zu erhalten ist, wenn man sowohl vom absoluten Monismus als auch vom radikalen Pluralismus Abstand nimmt {(3) Sophistes, 259 e. 67}, d. h. wenn man die symploke der Dinge und der Ideen beachtet.
Die Platonische Lehre von der symploke als Bedingung für rationales Denken läßt sich als Verallgemeinerung der geometrischen Vorgehensweisen auffassen. Ein geometrischer Beweis (und allgemein jede kategorial geschlossene wissenschaftliche Konstruktion) ist nämlich nur möglich, weil es innere Zusammenhänge zwischen den Termini des jeweiligen Feldes gibt und weil sich außerdem diese Zusammenhänge feststellen lassen, ohne daß man dazu auf die unendlichen Zusammenhänge zurückgehen müßte, die man zweifellos immer mit den gegebenen Termini verbinden kann.
Die kategoriale wissenschaftliche Konstruktion (womit es die Griechen nur zur Euklidischen Geometrie und zu einigen astronomischen Entwürfen brachten) und die philosophische Konstruktion haben also etwas gemein: Sie befassen sich mit Termini, die sie operational zusammensetzen (oder auseinandernehmen), um zu objektiven Zusammenhängen zwischen ihnen zu kommen. Daher scheint es [68] nicht angebracht, die verschiedenen Wissenschaften oder die (ursprünglich als höchste Wissenschaft verstandene) Philosophie mit Hilfe so globaler Formulierungen zu definieren wie «Philosophie ist die Erforschung der Wahrheit» oder «Philosophie ist Liebe zur Erkenntnis», als ob dies nicht ebenso auch für die Geometrie gelten würde. Angemessener scheint mir der Weg über die Konstruktionsverfahren selbst. Mein eigener Vorschlag dazu ist der folgende {(4) Vgl. La idea de ciencia de la teoría de cierre categorial, Santander: Universidad Menendez Pelayo 1975; Actas del I Congreso Internacional de Teoría y Metodología de las Ciencias, Pentalfa 1983}: Kategoriale Wissenschaften werden aus Begriffen (Termini, Operationen, Verhältnissen ...) konstruiert, die kategorial geschlossene Verkettungen hervorbringen können, die Philosophie dagegen aus den objektiven Ideen, deren Zusammensetzungen zwar zu rationalen Systemen führen können, nicht aber kategoriale Geschlossenheit erlauben. Anhand dieses Kriteriums kann man nun feststellen, daß die Philosophie als soziale Institution selbständige, für sich bestehende Inhalte hat - auch wenn diese positive Selbständigkeit nur «technische» Bedeutung beanspruchen kann, da es keinen Grund gibt, die Ideen als aus sich heraus begreifbare, substantivische Wesenheiten zu verstehen. Man muß nämlich nicht unbedingt davon ausgehen, daß die Ideen vor den Kategorien, in einer göttlichen Welt «vor der Schöpfung» bereits bestünden. Die Ideen ebnen sich ihren Weg mit Hilfe der Kategorien, und sie sind auch nicht ewig oder unveränderlich, sondern die einen lassen sich mit Hilfe kategorialer Prozesse ineinander überführen. Beispielsweise ist nicht einmal die Gottesidee ewig, sondern sie hat einen Ursprung, den die Philosophie festzustellen hat, und sie geht in die Idee vom absoluten Geist über; die mittelalterliche Idee vom «Gnadenreich» hat sich so in unserer Zeit zur Idee der Kultur gewandelt. [69]
Wir sollten also die Philosophie im eigentlichen Sinne letztlich als die Disziplin auffassen, die sich mit der Analyse und Verknüpfung der Ideen befaßt, die sich aus dem «kategorialen Wirbel» herausdestillieren lassen. Philosophie wäre demnach nicht «Meditation über Gott», «Selbstbewußtsein» oder «Erforschung des Seins», sondern Analyse und Verknüpfung von Ideen, die darauf abzielt, in ihren Grenzen ein System zu formen. Man hat des öfteren versucht, dieses System more geometrico herzuleiten. Dies ist eine ständige und zum ständigen Scheitem verurteilte Versuchung. Die Ideen sind nicht so etwas wie eine «Kategorie der Kategorien»; die «geometrische Ordnung» ist nur eine Richtschnur für ihre Konstruktion. Aber selbst nach dem Auseinanderbrechen dessen, was ich weiter oben den wissenschaftlich-philosophischen Block genannt habe, und trotz der Folge, daß die Philosophie nun darauf verzichten muß, als kategoriale Wissenschaft aufzutreten, kann sie doch nicht darauf verzichten, sich, so weit dies möglich ist, als ein System darzustellen. Und während eine kategoriale Wissenschaft fortschreiten kann, indem sie als falsch erkannte Wege einfach links liegen läßt, kann die Philosophie kein System konstruieren, das alternative Systeme nicht berücksichtigt.
Philosophie ist, so verstanden, nicht-wissenschaftlich; aber sie ist in sich systematisch, bewegt sich also im Rahmen streng rationaler Methoden. Die Beschränkung der Rationalität auf die Grenzen der kategorial-wissenschaftlichen Rationalität ist nämlich völlig willkürlich. Andererseits gibt es verschiedene, miteinander konkurrierende philosophische Systeme, da es eine Vielzahl von auszuprobierenden Konstruktionsmöglichkeiten gibt. Die Anzahl der Systeme ist jedoch nicht unendlich; im Gegenteil kann man sogar sagen, daß sich die fundamentalen philosophischen Systeme an einer Hand abzählen lassen. Dabei muß man [70] aber auch anerkennen, daß die Reihe derartiger Systeme und der Methoden, die zu ihnen führen (oder von ihnen inspiriert sind), nicht eindeutig und daß es daher der Vorspiegelung falscher Tatsachen gleichkommt, wenn jemand von «Philosophie» spricht, als handele es sich um eine porphyrianische Gattung. Genauso wenig angemessen ist es, sich auf die Philosophie wie auf ein höchstes Gericht zu berufen, so wie wir uns im alltäglichen Leben gelegentlich auf «die Mathematik» berufen. Es ist immer anzugeben, welcher Typ von Philosophie gemeint ist. Wenn wir die philosophische Natur eines «Problems» - beispielsweise der Aporie von Achilles und der Schildkröte - behaupten, dann weniger, um die Territorialität einer Disziplin abzustecken, als vielmehr, um kritisch darauf hinzuweisen, daß sich das Problem mit den Begriffen einer gegebenen Kategorie (z. B. des Differentialkalküls) nicht angemessen analysieren läßt, weil es uns auf Ideen verweist, die quer zu dieser Kategorie verlaufen und über sie hinausgehen, so daß wir, wollen wir ein solches Problem lösen, uns auf Pramissen einlassen müssen, die weit über die Umrisse der entsprechenden Kategorie hinausgehen. Damit will ich jedoch nicht sagen, daß die damit angenommene Philosophie unbedingt a priori jeder Fähigkeit zur cognitio entbehren muß; allerdings muß man zugeben, daß sie niemals die den (manchen) kategorialen Wissenschaften eigene Fähigkeit zur rationalen convictio für sich beanspruchen kann.
Hat man nun die Vielfalt der philosophischen Methoden und Systeme, die sich beim Prozeß der Analyse und Zusammenstellung der Ideen ergeben, sowie deren nicht-eindeutigen Charakter anerkannt, dann muß man auch die Möglichkeit zulassen, daß sich zwischen diesen Variationen der Philosophie - selbst unter der Annahme, daß man sie alle als Mitglieder einer «Plotinschen Gattung» auffassen kann («die Herakliden», sagte Plotin, [71] «gehören derselben Gattung an, weniger weil sie einander ähnlich sind, sondern weil sie alle vom selben Stamm sind») - Abgründe auftun, die uns dazu zwingen, manche der Arten als de-generierte Arten anzusehen, d. h. als Arten, durch die die Gattung selbst sich auflöst, und zwar durch eine ihrem Begriff innewohnende Entwicklungsdialektik (genauso wie man auch bei der Analyse der Gattung der konischen Kurven von de-generierten Kurven spricht, etwa im Fall eines Geradenpaares oder eines Punktes, die eigentlich ja keine Kurven mehr sind).
Und genau wie eine de-generierte Kurve eigentlich keine Kurve mehr ist (obwohl sie intern aus der dialektischen Entwicklung einer Kurvengleichung entsteht), so ist auch eine «de-generierte Philosophie» nicht mehr echte, sondern falsche Philosophie. Die Unterscheidung von echter und falscher Philosophie scheint demnach aus einer kritischen Perspektive unverzichtbar (d. h. für eine Kritik an jeglichen Formen zwanghafter Neutralität, die jeder «philosophischen Option» im Namen von Toleranz oder philosophischem Relativismus - oder auch von beidem zugleich - den gleichen Stellenwert einzuräumen geneigt sind). Meines Erachtens ist es unumgänglich, die Möglichkeit, ja sogar die Notwendigkeit der Unterscheidung echter von falschen Philosophien (bzw. von de-generierten oder auch Proto-Philosophien) anzuerkennen; eine andere Frage ist allerdings die Entscheidung für einen «Parameter» von Echtheit oder Falschheit. Notwendig wäre es außerdem zu versuchen, die inneren Prozesse zu durchdringen, aufgrund deren sich eine philosophische De-generierung von einer nicht-degenerierten Ausgangslage aus verstehen ließe. Es geht mir allerdings keineswegs darum, «echte Philosophie» mit «wahrer Philosophie» gleichzusetzen. Auch eine echte Formel - d. h. eine well-formed formula - ist ja nicht immer eine wahre Formel, sondern kann auch eine [72] falsche Formel sein. Im übrigen ist der Begriff einer falschen Philosophie im erläuterten Sinne mitnichten neu, sondern im Gegenteil wohl so alt wie die Philosophie selbst: Was ist denn der Platonische Sophist - als Zerrbild eines Philosophen - anderes als eine in die Sprache der Zeit gekleidete Formulierung eben des Begriffes der «degenerierten Philosophie»?
Der Begriff der De-generation läuft allerdings Gefahr, zu einem bloßen abwertenden Adjektiv (zur bequemen Entwertung nicht geteilter Auffassungen von Philosophie) zu werden, wenn es nicht möglich ist, ausgehend von den für kanonisch erachteten Formeln die inneren de-generativen Veränderungsprozesse aufzuzeigen. Daher hier noch einige Worte zu den Typen von De-generationsprozessen echter Philosophie zu solchen Arten von Philosophie, die zwar scheinbar (gesellschaftlich, historisch) Formen von Philosophie sind, jedoch als falsche Philosophien angesehen werden können.
Die hier vorausgesetzte Idee von der Philosophie impliziert allerdings, daß die Philosophie, wenn überhaupt, etwas mit der Erkenntnis «zweiten Grades» zu tun hat, als systematische Rekonstruktion mit Hilfe abstrakter («geometrischer») Zusammenhänge von Ideen, die vorgängigen Kategorien entspringen, als Erkenntnis, die keine eigenen, autonomen Quellen anerkennt, sondern sich aus der Reflexion anderer Erkenntnisse ergibt (der Erkenntnisse von metaphysischen Weisen oder Theologen; der Erkenntnisse von Experten, Wissenschaftlern, Politikern ... ). Der Ausspruch «Philosophie ist re-flexive Erkenntnis» wäre, soll er nicht inhaltsleer oder bloß subjektiv-psychologisch bzw. formal-logisch gemeint sein (denn ist nicht auch die Erkenntnis eines Politikers, der seine Wahlkampf-Strategie kalkuliert, in diesem Sinne reflexiv?), im Sinne einer objektiven Reflexion zu interpretieren, die in der erläuterten [73] Weise in einem historisch-kulturellen Territorium stattfindet, in dem nämlich gewisse (theologische, metaphysische, technologische, wissenschaftliche, politische) «gegebene Erkenntnisse», wenn sie einen bestimmten Grad konfliktiver Entwicklung erreicht haben, selbst zum «Material» einer anderen Erkenntnis werden. Die grammatikalische Form des Wortes Philo-Sophie selbst legt eine Interpretation in diesem objektiven Sinne, als Reflexion zweiten Grades, nahe. Dies schließt natürlich gerade die sokratische Ironie mit ein, die es für denkbar hält, daß manches Wissen ersten Grades - das offenbarte?, das politische? - dem Philo-Sophen zu sagen erlaubt, daß, wer es weiß, in Wirklichkeit nichts weiß. Wie auch immer: Die Interpretation der «Erkenntnisliebe» im subjektiv-psychologischen Sinn ist als Definition von Philosophie wiederum eine nichtssagende Formel, da sie auch auf den Mathematiker, den Periegeten oder einfach auf den Staatsbürger oder den Richter zutrifft, der die «wirklichen Schuldigen» an einem Verbrechen herausfinden will.
Die Philosophie als historische Tradition, die im dargestellten Sinn vorgeht, erweist sich als eine konstitutiv dialektische (nicht-dogmatische) Unternehmung, die zu den anderen Erkenntnissen, aus denen sie sich nährt, immer in einem zwangsläufig labilen Gleichgewicht von Nähe und Abstand zugleich stehen muß und daher ständig in Gefahr ist, das Gleichgewicht zu verlieren, auf eine der beiden Seiten zu rutschen, sich zu verlieren, letztlich also zu degenerieren.
Jedenfalls versteht man angesichts der historisch-kulturellen Bedingungen, unter denen sich die Philosophie - und auch die Metaphysik - im oben angegebenen Sinne entwickelt, die Wahrscheinlichkeit, daß sich in einer gegebenenen Gesellschaft die philosophische Tradition im Rahmen einer bestimmten «offenbarten» dogmatischen [74] Konzeption, die zwangsweise durchgesetzt oder, was fast dasselbe ist, von den gläubigen Untertanen geteilt wird, behaupten (bzw. daß sie zurückerobert werden) muß. Müßte man da nicht schließen, daß es unter diesen Bedingungen einfach unmöglich ist, von Philosophie als kultureller Institution in dem Sinne, wie wir sie hier verstanden haben, zu sprechen? Ist es nicht ebenso absurd, von christlicher, muslimischer oder jüdischer Philosophie, zu sprechen wie von christlicher Geometrie?
Von unserem Ausgangspunkt aus können wir nicht zu so radikal negativen Antworten kommen wie etwa Feuerbach oder Brehier. Wenn Philosophie nicht ein «Urwissen» ersten Grades, sondern eine (frühere Zerstörungen implizierende) Re-Konstruktion nach gewissen abstrakt-geometrischen Methoden gegebener Wissensgebiete ist, dann ist zu verstehen, daß wir die Möglichkeit akzeptieren müssen, unterschiedliche Grade in Prozessen philosophischer Rekonstruktion zu unterscheiden, und daß wir konkret Situationen erkennen können, in denen der philosophische Rekonstruktionsprozeß - wenn auch vielleicht aus äußerlichen Gründen - vor den Imperativen der Offenbarung haltmacht. Dieses Innehalten ist nicht philosophisch; die Philosophie, die vor der Offenbarung haltmacht, ist ohne Zweifel eine de-generierte Philosophie (wobei dann auch die vorherige Zerstörung ihre Möglichkeiten nicht ausgeschöpft hatte); jedenfalls ist sie aber doch Philosophie, die ihre Methoden und Instrumente früheren Formen echter Philosophie entnimmt. Es ist scholastische Philosophie, die als Philosophie immer ein Potential in sich trägt, das sie dazu antreibt, die offenbarten Inhalte zu überdecken, sie zu absorbieren, wenn die gesellschaftlichen Verhältnisse günstig sind, und selbst dann, wenn sie sich ihnen zeitweilig beugen muß - sei es im Bewußtsein des damit verbundenen rationalen Opfers (wie im Fall von Siger von [75] Brabant), sei es unbewußt aus einem falschen Bewußtsein (wie im Fall des Thomas von Aquin). Man versteht auch die großen Neuerungen, die sich aus der von der scholastischen Philosophie geförderten Vermengung philosophischer Ideen und Offenbarungsinhalte ergeben können, also etwa aus der Vermischung der aristotelischen Ideen des ersten Bewegers und des actus purus mit den christlichen Glaubenslehren von einem Gott, der sich selbst als Schöpfer der Welt und als Dreieinigkeit offenbart - eine Welt, die für Aristoteles nicht nur gemäß ihrer Materie, sondern auch gemäß ihrer Kon-Formation eine endliche, aber ewige Welt ist, eine Welt, die sich mit der Kreisbewegung des ersten Himmels in ewiger, unaufhörlicher Bewegung befindet. Es ist diese ewige Bewegung, die eines ewigen Bewegers bedarf, der sich jedoch, indem er bewegt, nicht selbst bewegt, und dessen Bewegungsfähigkeit unerschöpflich sein muß. Daher kann der erste Beweger keinen Körper haben, denn ein endlicher Körper könnte diese unerschöpfliche Bewegungsenergie nicht in sich bergen; auch darf er sich nicht bewegen, sondern er muß actus purus sein. Bis hierhin geht Aristoteles {5. Metaphysik XII, 7, 1072 a25} streng nach abstraktgeometrischer Methode vor; davon geht er auch nicht ab, wenn er die «ichförmige» Struktur zu erahnen beginnt, die man diesem unbewegten Beweger zuschreiben könnte. Nirgends wird dieser ichförmige Charakter als ein Jemand dargestellt, der uns etwas offenbaren könnte (und noch nicht einmal als Projektion unseres Selbstbewußtseins, denn schließlich war es gerade Aristoteles in der Nikomachischen Ethik {6. X, 8, 1178 b7-23}, der sich auf das göttliche Selbstbewußtsein berufen hat, um die Illusion vom autarken, glücklichen menschlichen Selbstbewußtsein zu kritisieren). Jener unbewegte Beweger kennt nämlich weder die Welt [76] noch auch die Menschen, denn er hat genug damit zu tun, sich auf ewig an seiner eigenen Intimität zu weiden. Warum also verleiht Aristoteles seinem unbewegten Beweger «ichförmige» Merkmale? Ganz einfach, weil er, nachdem er more geometrico die Idee dieses unbewegten Bewegers eingeführt hat, Analogien bzw. Modelle sucht, um die Relevanz dieser abstrakten Idee zu zeigen. Dabei stößt er darauf, daß das Wünschenswerte (to orekton) und das Verstehbare (to noeton) anscheinend bewegen, ohne selbst bewegt zu werden {7. Metaphysik, 1072 a25}. Bei dem, was wünschenswert oder was verstehbar ist, handelt es sich aber um Begriffe, die sich für uns erst aus tierischer oder menschlicher sozialer Erfahrung ergeben. Daher hat der actus purus ein ewiges Leben {8. Ebd. 1072 b29}. Die Theologie des Aristoteles - auch die polytheistische Theologie von XII, 8 - behält also letztlich ihren philosophischen Charakter. Die Summa theologica des Thomas von Aquin ist dagegen vor allem eine nichtphilosophische, nämlich eine nematologische Konstruktion {9. Zum Begriff der Nematologie vgl. mein Cuestiones cuodlibetales, Madrid 1989, Frage 2}. Allerdings spielt zweifellos in dieser Konstruktion die aristotelische Theologie ein wichtige Rolle: je größer die Zahl der Widersprüche und Absurditäten, die sich beim Verschmelzen der christlichen Gottesidee, die uns ihre Dreifaltigkeit (Vater, Sohn, Heiliger Geist) offenbart, mit dem aristotelischen actus purus feststellen Iäßt, desto genauer können wir auch die Wucht der philosophischen Idee bestimmen und die Leistungskraft ihrer Brandung messen, wenn sie sich an den Felsen des Dreifaltigkeitsdogmas bricht.
Nun läßt aber nicht nur der Druck einer gesellschaftlichen Zwang ausübenden offenbarten Dogmatik eine historisch [77] schon institutionalisierte Philosophie seltsame Wege gehen; auch der Druck einer nicht offenbarten, aber - obwohl sie materialistisch ist - ebenfalls zwanghaft durchgesetzten Dogmatik führt zu einer Degenerierung der Philosophie. Das sage ich hier weniger im Namen einer als Voraussetzung der Philosophie verstandenen, angeblich generischen Freiheit des Denkens, als vielmehr im Namen der unbedingten dialektischen Notwendigkeit, daß jeder philosophischen These eine entgegengesetzte These gegenüberzustellen ist (wobei man annehmen muß, daß derartige Antithesen unter den Bedingungen eines politischen Dogmatismus aus dem Blickfeld verschwinden oder aus exogenen Beweggründen in Mißkredit geraten). Insbesondere gibt es eine Neigung zur involutiven Degeneration, die man in der Regel in verschiedenen historischen und gesellschaftlichen Situationen, in denen der Einfluß des Monismus vorherrscht, als degenerative Rückbildung der Philosophie (auch der materialistischen) zurück zu den Formen vorsokratischer Metaphysik vorfindet. «Die Welt ist das Ganze, und ihr Mittelpunkt ist der Mensch. Alles hängt mit allem zusammen. Hieraus ergibt sich die Verantwortlichkeit, die dem Menschen am kosmischen Prozeß des Universums zukommt.» Man kann den «rationalen» Charakter dieser Konzeption unterstreichen, indem man ihre Fähigkeit zur Bereinigung von Mythen und Volksaberglauben aufzeigt, ihre Fähigkeit, gesellschaftlich und ökologisch gesehen «gesunde» politische Programme zu inspirieren. Andererseits bemerkt man unschwer die enge Beziehung zwischen dem Monismus des Diamat und politischem Dogmatismus (z. B. dem fanatischen Dogmatismus bei der Erarbeitung und Umsetzung irgendwelcher vom Standpunkt des Globalplanes aus gesehenen Fünf- oder Siebenjahrespläne) und die verheerenden (politischen, technologischen und wissenschaftlichen) praktischen Folgen, die [78] mit dem vorplatonischen Dogma von der «Verkettung aller Dinge mit allen anderen» einhergehen.
Die degenerative Entwicklung der Philosophie kann allerdings auch auf anderem Weg erfolgen. In erster Linie etwa, wenn infolge der «Dichte», zu der ihr eigener Verlauf sie führt, die Philosophie den Kontakt mit der Wirklichkeit der Gegenwart (und insbesondere mit dem aktuellen Stand der kategorialen Wissenschaften) verliert, in der doch die Ideen entstehen, so daß die Philosophie diese Ideen (über ihre technische Substantialität hinaus) zu tatsächlichen Substanzen macht und beginnt, sich «aus sich selbst zu speisen», d. h. aus den Formeln, die längst vergangene Philosophen aus ebenfalls längst vergangenen Ideen gemacht haben. Die Philosophie degeneriert so zu Philologie (bzw. zu philologischer Philosophiegeschichte) und wird zu einer Disziplin, die immer von neuem und akkumulativ die Texte Platons, Aristoteles’, Spinozas oder Nietzsches sowie die Kommentare dieser Kommentare kommentiert. Das heißt nicht, daß die Philosophie, wenn sie erst einmal jahrtausendealte Traditionen besitzt, ihre eigene Geschichte als etwas Fremdes betrachten könnte. Gerade weil sie im Inneren davon betroffen ist, ist die philologische Degeneration ein quasi notwendiger dialektischer Prozeß. Er findet genau dann statt, wenn die Ideen vergangener Philosophie - die aus der Welt der jeweiligen Epoche stammen - mit unserer eigenen Welt (und auf diese Weise mit der vergangenen Welt) nicht mehr in Verbindung gebracht bzw. wenn sie auf unsere Welt in einem ähnlichen Zustand angewendet werden, wie sie in der Vergangenheit angewendet wurden (wie ließe sich heute die aristotelische Idee der Substanz auf die Planeten anwenden?). Als Endpunkt dieser degenerativen Evolution der Philosophie in der Rückkehr zu ihrer eigenen «Substantialität» läßt sich der Gnostizismus ansehen, verstanden als die Neigung der [79] Philosophie, sich - ist sie erst einmal etabliert - der substantialisierten Idee eines reinen Bewußtseins zu implantieren, wobei letzteres eben gerade durch den reinen Willen zum Wissen definiert ist. Ich habe an anderem Ort zu zeigen versucht, daß diese Selbstimplantation der Philosophie als gnostisches Bewußtsein eine degenerative «Anziehungskraft» der Philosophie darstellt und zu einer falschen (unkritischen) Philosophie wird, deren Kritik uns zu der Idee einer politischen Implantation führt, die in der Lage ist, sich wieder in den Lauf der echten Philosophie einzugliedern.
Schließlich sind aber als degenerative Episoden der Philosophie auch solche anzusehen, die nicht aus der Substantialisierung der Ideen herrühren, mit denen sie befaßt ist, indem sie diese von den Realitäten abkoppelt, durch die hindurch sie sich ihren Weg bahnt, sondern von der entgegengesetzten Tendenz, nämlich der Neigung, sich mit anderen Formen des weltlichen logos - d. h. mit dem politischen oder dem wissenschaftlichen - zu identifizieren. Damit meine ich nicht nur die ständige Versuchung der Philosophie, sich als «exakte Wissenschaft» zu gerieren und de facto populärwissenschaftliche Funktionen wahrzunehmen, sondern auch die bürokratische Neigung, sich genauso zu organisieren wie die positiven Wissenschaften (mit Spezialisierungen, Forschungsrichtungen, Paradigmen, Kongressen der scientific community, Fakultäten für reine Philosophie). Diese Organisation der akademischen Philosophie kann, wenn sich das akademische Leben an einem bestimmten philosophischen System ausrichtet, für das philosophische Leben sogar stimulierend wirken, weil sich dann die «Spezialisierungen» nur auf die Verwaltungs- und nicht auf die wissenschaftliche Ebene selbst beziehen. Wie kann sich jemand, nur weil er Professor für Ethik oder für Religionsphilosophie ist, zum Spezialisten für [80] Ethik oder Religionsphilosophie erklären? Diese - und nur diese - Disziplinen bieten die Möglichkeit, «freie Lehren» zu entwickeln, da sie nur als Teil des Gesamtsystems der Philosophie denkbar sind. Wenn daher ein Spezialist für eine philosophische Disziplin dasselbe System mit dem Rest seiner Kollegen teilt, dann neutralisiert sich seine «Spezialität» sofort und bleibt nur in ihren legitimen philologischen und administrativen Grenzen bestehen. Was geschieht aber, wenn jeder Spezialist einer philosophischen Disziplin in einem anderen philosophischen System angesiedelt ist als alle seine Kollegen? Jeder Spezialist wird dann versuchen, sich von den anderen Spezialisten abzusetzen und sich mit denen zusammenzutun, die ihm ideologisch nahestehen, so als bilde er mit ihnen eine «scientific community». Das Nebeneinanderexistieren all dieser Wissenschaftsgemeinschaften innerhalb der Universitäten führt dann zu einer de-generierten Form von Philosophie und kann sogar der Anfang vom «bürokratischen Ende» der Philosophie in der betreffenden Gesellschaft sein.
(3) Der dritte Wendepunkt, der zu berücksichtigen ist, um unsere philosophische Gegenwart abzugrenzen, zeichnet sich auf politischer Ebene ab. Um die Dinge abzukürzen, werde ich diesen Wendepunkt mit Hilfe des Begriffs der «parlamentarischen Demokratie» beschreiben, obwohl ich mir der Konventionalität dieses Begriffes bewußt bin. Als historische Landmarken muß man hier (in bezug auf Europa) ebenso die Französische Revolution betrachten wie die Perestroika. Für die Philosophie ist die parlamentarische Demokratie diejenige Situation, in der es prinzipiell kein offizelles Dogma gibt, dem sich jedes philosophische System, zu beugen hätte. In diesem Sinne ist die parlamentarische Demokratie für die Philosophie im Grunde ein Zustand negativer Freiheit, d. h. der Freiheit von (eine [81] theoretische Freiheit, da sozialer Druck und soziale Kontrolle in der Demokratie ebenso stark sein können wie in einer Diktatur), da in einer vollständigen Demokratie auch die Idee der Demokratie selbst der philosophischen Kritik unterzogen werden darf. Unter diesem Gesichtspunkt kann man behaupten, daß eine nicht-demokratische Gesellschaft die Möglichkeit des Philosophierens blockiert; das heißt allerdings nicht, daß eine demokratische Gesellschaft damit als solche schon ein blühendes philosophisches Leben möglich macht. Mit einer nicht ganz zutreffenden Formel könnte man sagen, daß die Demokratie für die Philosophie, eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung ist.
Vor allem scheint es aus der gleichen theoretischen Perspektive offensichtlich, daß eine Situation der Koexistenz zahlreicher demokratischer Gesellschaften auf einem gegebenen historischen Niveau jede echte Philosophie in eine universalistische Richtung führen muß, da es die objektiv gegebene Situation selbst ist, die - nicht nur innerhalb jedes einzelnen Staates, sondern auch in den Beziehungen von Staaten untereinander - den Austausch von Gedanken und Sichtweisen ermöglicht. Dieser kann jedenfalls dazu beitragen, den geistigen Horizont zu erweitern, ohne daß dadurch der Partikularismus beeinträchigt würde, der, wie schon gesagt, notwendige Folge der Identifikation der Philosophie mit der jeweiligen Nationalsprache ist, in der sie sich ausdrückt.
Richtig ist aber auch, daß die Situation, auf die das heutige Europa hinzusteuern scheint, gerade aufgrund der damit verbundenen Freiheit des Meinungsaustauschs auch der Verbreitung von Philosophiesurrogaten (soziologischen, psychologischen, anthropologischen u. a. Ersatzstoffen) förderlich ist, Surrogate, die auf den Massenkonsum zugeschnitten sind, Kitsch-Philosophien, die auf der Verbreitung vulgarisierter Fragmente verschiedener Systeme, [82] vermischt mit einzelnen Infonationen je nach der Nachfrage auf dem Markt bestehen. Eine bemerkenswerte Tatsache ist diesbezüglich die zunehmende Einbürgerung der Vokabel «Philosophie» in den verschiedensten Kontexten des täglichen Lebens, wie z. B. «Philosophie der dritten Walzstraße für das Stahlwerk X», «Philosophie mittelfristiger Bankkredite», «Philosophie des Fußballvereins für die kommende Spielzeit« oder gar «Philosophie des Stimmens der Orchesterinstrumente nach dem ersten Satz». Der Terminus «Philosophie» bezeichnet in diesen Kontexten zwar ziemlich konfuse, unklare Dinge, aber man muß auch zugeben, daß er nicht leicht durch andere Ausdrücke zu ersetzen ist (schließlich kann man gewiß nicht «Theologie der dritten Walzstraße für das Stahlwerk X» usw. sagen). Wenn also der Ausdruck «Philosophie» solche Funktionen erfüllt, dann vielleicht deswegen, weil es in «unserer Gegenwart» immer deutlicher geworden ist, daß jedes konkrete Unterfangen oder Projekt von einer gewissen Bedeutung immer im Schnittpunkt verschiedener (technologischer, rechtlicher, wirtschaftlicher...) Kategorien angesiedelt ist, auch wenn es anfänglich so scheinen mag, als sei ein bestimmter kategorialer Charakter der dominierende («die dritte Walzstraße» ist zweifellos ein technologischer Begriff, aber man weiß auch, daß er nur in einem ökonomischen Rahmen denkbar ist, und dieser wiederum nur in einem sozio-kulturellen Kontext, der die Höhe des Konsums von Stahlprodukten bestimmt). Ein derartiger Gebrauch des Ausdrucks «Philosophie» in unserer Gegenwart ist also, sofern er eine kritische Konnotation (hinsichtlich möglicher alternativer Termini) hat, weniger ein Symptom für die Degeneration der Philosophie, sondern ein Beleg dafür, daß die Notwendigkeit eines philosophischen Standpunktes in den pluralistischen, technologisch fortgeschrittenen Gesellschaften anerkannt wird. [83]
Damit sind die Koordinaten bestimmt, die mir wichtig erscheinen, so daß ich nun in aller Kürze die erste Frage von Volker Rühle beantworten kann, also die Frage: Wie läßt sich die Verantwortlichkeit der Philosophie in der heutigen Welt beschreiben?
Es geht hier selbstverständlich um die sogenannte akademische Philosophie, die Philosophie der Platonischen Tradition, soziologisch gesehen also die «Professoren-Philosophie» - wobei die offensichtlich damit institutionell verbundenen «berufsspezifischen» Verantwortlichkeiten (die Vermittlung einer Unmenge kultureller Inhalte, insbesondere die Ausbildung der Bürger in den Methoden des Argumentierens und der dialektischen Debatte, die historische und philologische Erforschung des philosophischen Erbes usw.) im vorliegenden Zusammenhang nicht interessieren. Wichtig scheinen mir vielmehr die Verantwortlichkeiten der (akademischen) Philosophie gegenüber den «Leuten», also gegenüber der «Alltagsphilosophie». Hier muß man wohl vor allem zugeben, daß die gesellschaftliche Bedeutung, die ein originelles philosophisches Werk erlangen kann, nicht an denselben Kriterien zu messen ist wie bei einem wissenschaftlichen Werk. Ein wissenschaftliches Werk kann in unverständlicher Sprache gehalten sein, weil Industrie, Technologie oder Massenpublikation dafür sorgen, es zu «sozialisieren». Im Fall eines philosophischen Werkes dagegen kann der Prozeß seines öffentlichen Einflusses - abgesehen von ganz speziellen Einflußkanälen zwischen Wissenschaftlern oder Juristen - aufgrund der Möglichkeit der direkten Einwirkung des Werkes auf ein heterogenes Publikum, das sich aus des Lesens oder Zuhörens mächtigen Bürgern zusammensetzt, direkt einsetzen. In dieser Hinsicht läßt sich ein philosophisches Originalwerk mit einem musikalischen Werk vergleichen, bei dem ja das ganze Ausmaß der mit der Komposition [84] und der Aufführung verbundenen technischen Schwierigkeiten auf einer ganz anderen Ebene als der angesiedelt ist, auf der die Rezeption durch das Publikum stattfindet. Und so kann ein durchschnittliches Publikum in einer Gesellschaft mit einem gewissen Niveau ohne besondere technische Anstrengung eine philosophische Lehre «verstehen» oder begreifen, deren «Artikulation» ganz sicher einen mühevollen Prozeß technischer (philologischer, logischer, usw.) Vorbereitung erfordert, genau wie das gleiche Publikum eine Beethoven-Sonate vermittels der «einfachen Darbietung» durch den Pianisten im Konzertsaal «verstehen» kann. Im übrigen unterteilt sich das Publikum in einer demokratischen Gesellschaft natürlich in ganz unterschiedliche Schichten, so daß es viele verschiedene Rezeptionsweisen und viele Interaktionstypen zwischen diesen verschiedenen Weisen gibt. Ich möchte allerdings unterstreichen, daß ein tiefschürfendes, philosophisches Werk trotzdem in einer Nationalsprache (auf einem gewissen Niveau) ausgedrückt sein kann und daß es unwahrscheinlich ist, daß ein philosophisches Werk große gesellschaftliche Resonanz erfahren kann ohne eine Art von «Anpassung» an die Ideologie des aufnehmenden Publikums. Das heißt nicht unbedingt, daß ein philosophisches Werk mit großer öffentlicher Resonanz nichts anderes sein kann als eine überflüssige Umformulierung der entsprechenden Alltagsphilosophie. Die Überlappung mit der Alltagsphilosophie wird immer fragmentarisch und partiell sein. Ein einflußreiches philosophisches Werk wird daher zahlreiche kritische Komponenten bieten, verborgene Zusammenhänge ans Licht bringen und Perspektiven aufzeigen, die oft ungewohnt, aber doch in den Kern der entsprechenden Alltagsphilosophie integrierbar sind. Im übrigen kommt es nur ganz selten vor, daß ein philosophisches Werk bei weiten Teilen des Publikums, das seine Sprache [85] spricht, oder gar, wenn es übersetzt wird, bei einem Publikum, das andere Sprachen spricht, auf «Resonanz» stößt.
In den heutigen demokratischen Gesellschaften ist zweifellos die Kritik und das Auseinandernehmen gängiger Ideen die eigentliche, nie endende Aufgabe der Philosophie. (Dabei gehe ich natürlich davon aus, daß «gängige Ideen» fast immer dunkel und konfus sind.) Aber nicht einmal das erfolgreiche Auseinandernehmen festverwurzelter ideologischer Systeme garantiert, daß diese Systeme sich nicht wieder neu zusammensetzen; denn das alles geschieht wie bei einer Wellenfront, die sich an einer Scheibe bricht, sich aber hinter der Scheibe nach dem «Huygensschen Prinzip» wieder neu aufbaut. Man könnte hier vom Prinzip der Re-Generation einer festverwurzelten Ideologie bzw. Alltagsphilosophie sprechen, nachdem sie durch das Sieb einer akademischen Philosophie passiert wurde.
Jedenfalls gibt es keinerlei Anlaß für die Erwartung, daß irgendeine der aktuellen Philosophien zur «Universalphilosophie» werden könnte. Philosophie ist nicht Mathematik, und man muß nicht Relativist sein, d. h. man muß nicht jeder heutzutage auftretenden philosophischen Konzeption den gleichen philosophischen Wert beimessen, um anzuerkennen, daß dennoch keine von ihnen eine solche Überzeugungskraft besitzt, daß sie die anderen aus dem Rennen werfen könnte. Die philo-sophische Natur («zweiten Grades») ihrer Inhalte selbst macht daher die Vielfalt der Konzeptionen wahrscheinlich und sogar praktisch notwendig - wobei deren Koexistenz keineswegs a priori als harmonisch verstanden werden muß; man kann vielmehr sagen, daß sie immer eine polemische Komponente enthält.
Und noch eine letzte Bemerkung: Kann man der institutionalisierten Philosophie - in Einklang mit ihrer [86] traditionellen Funktion als «Medizin für die Seele» - die ständige Verantwortung dafür zuweisen, daß jeder Bürger einen so kritischen Bewußstseinsstand erlangt, daß man ihn als einen «neuen Sokrates» betrachten kann - so wie die Christen der Kirche die Verantwortung dafür übertragen, daß aus den Gläubigen «Nachahmer Christi» werden? Ich denke, das kann man nicht; dieser utopische Zweck der Philosophie ist nur ironischerweise gelegentlich vorgeschlagen worden. Dagegen ist es vielleicht kein utopisches, sondern ein rein pragmatisches Ziel, in jeder Nation eine philosophisch «gebildete» Minderheit (vielleicht 5 %, oder 1 %?) von Bürgern heranzuziehen, die zu einem guten philosophischen Urteil in der Lage sind; denn nur eine solche Minderheit könnte irgendwie sicherstellen, daß die betreffende Gesellschaft nicht völlig auf ideologisches Gebiet abdriftet oder - was noch schlimmer wäre - von übernatürlichen Prinzipien bzw. Parteiparolen ferngesteuert würde.
II. Inwieweit ist die Lehre vom Selbstbewußtsein ein Prüfstein, um die Selbsterkenntnis der Verantwortlichkeit der gegenwärtigen Philosophie zu ermessen?
Meines Erachtens hat die Lehre vom Selbstbewußtsein ohne jeden Zweifel eine Hauptrolle in der Entwicklung der modernen Philosophie (und der devotio moderna) von Descartes bis Hegel gespielt. Trotzdem scheint mir dieser Begriff des Selbstbewußtseins wegen seiner reflexiven Komponente ziemlich dunkel und konfus, da man in jedem Fall die nicht-reflexiven Beziehungen darlegen muß, aus denen sich die entsprechende Reflexivität konstruiert. Eine Absolutsetzung des Selbstbewußtseins wäre unausweichlich eine petitio principii und würde uns im [87] äußersten Fall sogar in eine ebenso leere Situation führen wie die aristotelische Theologie der noesis noeseos {10. Metaphysik XII, 1074 b34}. So gesehen sollte man das Geflecht (realer oder imaginierter) Beziehungen wiederentdecken, in das die Philosophen eingebettet sind, die die Vorstellung vom «Selbstbewußtsein» aufgebracht haben. Jedenfalls ist offensichtlich, daß die verschiedenen diesbezüglich eingenommenen Positionen in gewisser Weise auf die verschiedenen Typen von Verantwortlichkeit hinweisen, die der Philosophie im allgemeinen und der modernen Philosophie im besonderen zugeschrieben wurden.
Was das sogenannte «Selbstbewußtsein des modernen Menschen» betrifft - des Menschen, der nach der Interpretation von Foucault den «Platz des Königs» in Velázquez' Gemälde Las Meninas einnimmt - geht meine Analyse in die folgende Richtung: Es ist nicht etwa so, daß sich in einem bestimmten Augenblick aus irgendwechen dunklen, mystischen Gründen im 17. Jahrhundert in Spanien eine neue Form eines absoluten Bewußtseins herausgebildet hätte, das dann zum typischen Merkmal der Epoche geworden wäre. Das, was man das «Selbstbewußtsein des modernen Menschen» nennt, hat vielmehr mit den Veränderungen der im Mittelalter traditionellen Stellung des «menschlichen Bewußtseins» relativ zu den «separaten endlichen Intelligenzen» - der Engel und Erzengel, aber auch des Teufels - zu tun, die die Menschen umschwirren, sie kontrollieren, sie belauern oder gar von ihnen Besitz ergreifen.
Für dieses Beziehungsgeflecht sollte der latente Konflikt zwischen den drei «Buchreligionen» größte Bedeutung erhalten, der in Spanien besonders virulent wurde. Es geht dabei um die Auseinandersetzung über den Ort, der dem [88] Menschen bezüglich der Engel, Erzengel, Seraphinen und Teufel zukommt - eine Auseinandersetzung, die vor allem durch das christliche Dogma von der hypostatischen Einheit der Zweiten Person der Dreifaltigkeit mit dem Menschsein Christi geprägt ist. Diese hypostatische Einheit stellte nämlich den Menschen über alle anderen separaten Intelligenzen und machte ihn zum Mittelpunkt der Schöpfung. Dies wird besonders deutlich im Kommentar von Fray Luis de León über den Namen «Pimpollo» (der Kommentar Iäßt eine theologisch-kosmisch-anthropologische Auffassung erkennen, die auf der gleichen Ebene angesiedelt ist wie diejenige, die zwei Jahrhunderte später Hegel abstrakt formulieren sollte). In dem Moment nun, in dem sich das menschliche Bewußtsein von diesem - aus (engelhaften bzw. teuflischen) separaten Intelligenzen bestehenden - ihn umgebenden Netzwerk löst und Gott, dem allmächtigen Vater, von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, fühlt sich der Mensch auf einmal so, wie er sich einem bösen Geist gegenüber fühlen würde, d. h. gegenüber einem Wesen, das aufgrund seiner Allmacht in der Lage ist, «mich selbst aus meinem eigenen Bewußtsein heraus zu lenken», indem er mir das, was er mir von außen eingibt, als meine eigenen (frei gewählten) Zwecke darstellt, und mir so meine Freiheit auf ganz infame Weise zerstört (so wie gewisse afrikanische Affenjäger Nüsse in eine enghalsige Flasche füllen, damit das Tier, wenn es seine Hand hineingesteckt und eine Handvoll Nüsse aufgeklaubt hat, von seinem eigenen Greifinstinkt überlistet, die Hand nicht mehr herausziehen kann). So gesehen liegt die Bedeutung des cartesianischen cogito darin, daß es als Schutzschild gegen mögliche Aktionen des bösen Geistes (Gottes des Allmächtigen) dienen kann: «Denn auch wenn mich dieser Geist geschaffen hätte, um mich zu überlisten, müßte er doch, um mich überlisten zu können, dafür [89] sorgen, daß ich wirklich existiere; und daher schien mir, daß die Aussage cogito, ergo sum als Prinzip der Philosophie angesehen werden kann.» Mit der Verflüchtigung der Gottesidee verflüchtigt sich also auch die philosophische Bedeutung des cartesianischen cogito, das nur noch als eine wichtige Episode der dialektischen Geschichte der Philosophie erhalten bleibt.
Ähnliches kann man von dem Selbstbewußtsein sagen, das sich ausgehend von den Beziehungen der Menschen zu Engeln oder Teufeln - deren heutige Version die «Außerirdischen» wären - gebildet hat. Entscheidenden Einfluß sollten darauf in der Moderne die Veränderungen haben, die die Ausweitung der Beziehungen der Europäer mit anderen, weit entfernt lebenden fremden Menschen - die oft für Tiere gehalten wurden (man denke an Sepúlvedas «Indios» oder Linnés «Pygmäen«) - mit sich brachte. Ähnliche Auswirkungen hatte insbesondere auch die Entdeckung der Tiere als Wesen mit so etwas wie einem «Bewußtsein», wie es ihnen seit Gómez Pereira und Descartes das moderne menschliche Selbstbewußtsein (die Lehre vom «viehischen Automatismus») hartnäckig abgesprochen hatte. Die Darwinsche Evolutionstheorie im vergangenen und die Fortschritte der Verhaltensforschung in diesem Jahrhundert haben entscheidend zum Wandel des menschlichen Selbstbewußtseins beigetragen, indem sie die Beziehungen zwischen diesem Selbstbewußtsein und dem der Tiere veränderten.
Dieser Wandel eröffnet beispielsweise die Möglichkeit zu einer neuen philosophischen Auffassung der Religion, die sich auf dem Wege der Entwicklung einer Doktrin der ursprünglichen Religation der ersten Menschen an gewisse tierische Noumena, nach deren «Ebenbild» in der zweiten Phase der Religionsentwicklung (nach der Ausrottung oder Zähmung der Tiere der Steinzeit) die Götter der [90] Pharaonen, Azteken und Mayas geformt wurden, von den Feuerbachschen Koordinaten befreit («die Menschen machten sich die Götter nach ihrem Ebenbild»). {11. In meinen Büchern El animal divino, Oviedo 1985, und Cuestiones cuodlibetales, Madrid 1989, habe ich diese Überlegungen zu den Religionen und ihren Entwicklungsphasen im Detail entwickelt.}
III. Wie lassen sich die Bedeutung und die Position darstellen, die im europäischen Kontext heute dem philosophischen Denken zukommen, das in Spanien und aus Spanien entsteht?
Da mir nicht mehr viel Platz verbleibt, kann ich hier auf wichtige historische Fragen, deren Interpretation im übrigen äußerst umstritten ist, nicht eingehen. Ich will mich daher ausschließlich mit den Möglichkeiten auseinandersetzen. Ich denke, man kann sagen, daß sich die Möglichkeiten der spanischen Philosophie im neuen internationalen Konzert, wie es sich heute darstellt, ungeheuer erweitert haben, sofern man sich den «pessimistischen» Diagnosen anschließt, die hinsichtlich der deutschen, französischen oder englischen «real existierenden» Philosophie der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts gewöhnlich erstellt werden. Die deutsche Philosophie ist mit der militatischen Niederlage praktisch in Schweigen verfallen. Hat sie vielleicht - wie die deutsche Musik - ihre wervollsten Früchte schon getragen? Die englische Philosophie ist in einen scholastischen Manierismus zurückgefallen, der in der Öffentlichkeit auf keinerlei Interesse stößt, wenngleich er für Eingeweihte recht unterhaltsam ist. Die französische Philosophie bewegt sich zwar auf einem hohen technischen Niveau, neigt aber zur Rhetorik und ist allzu abhängig von der deutschen Philosophie. Ähnliches läßt sich auch von der italienischen Philosophie sagen. [91]
Ich habe weiter oben den Gedanken geäußert, daß die Nationalsprache zwar nicht der einzige, aber doch der wichtigste Faktor ist, wenn es darum geht, auf makrohistorischer Ebene die verschiedenen Philosophien voneinander zu unterscheiden. Die deutsche, die englische und die französische Sprache haben nach der Abschaffung des Lateinischen ihre Eignung zur philosophischen Spekulation bewiesen. Dabei geht es nicht um Personen, um subjektive Talente, sondern um sprachliche Eignung. Die spanische Scholastik des 16. Jahrhunderts hat gezeigt, daß man von einem Mangel an Talenten nicht sprechen kann; nur schrieben diese auf Latein. Das kastilische Spanisch war jedoch sicher die erste Sprache, die nach der Zeit der Völkerwanderung sehr viel früher als das Französische, das Englische oder das Deutsche - wenn auch auf ungewöhnliche Weise - in den Dienst der Philosophie gestellt wurde: die Übersetzungen der Werke des Aristoteles ins Lateinische wurden auf dem Weg über kastilisch-spanische Übersetzungen der arabischen Version angefertigt. Aus dieser Tatsache läßt sich schließen, daß die spanische Sprache - angereichert mit der üblichen philosophischen Terminologie, die ihr von Zeit zu Zeit einverleibt wird (Ursache, Substanz, Wesen, Materie, Relation, Nichts, Sein, Dasein, .... und natürlich Dialektik, Hypothese usw.) - als philosophische Sprache geeignet ist. Die Gründe dafür, daß es keine der klassischen deutschen oder englischen Philosophie vergleichbare klassische spanische Philosophie gegeben hat, sind sehr komplex und können hier unmöglich im einzelnen behandelt werden. Ich für meinen Teil würde das Projekt Ortegas, das Projekt einer Philosophie in spanischer Sprache, in der Sprache des Quijote, wieder aufnehmen. Ortega sah sich jedoch aus Gründen des Augenblicks gezwungen, seine Ideen nicht nur in alltäglichen, sondern sogar in journalistisch-alltäglichen Abhandlungen [92] zu entfalten, die seine tatsächliche Tiefgründigkeit verdeckten. Und seinen «offiziellen Schülern» ist es nicht gelungen, ein eigenes Denken auszubilden, sondern nur spitzfindige und oftmals triviale Glossen und Anmerkungen.
In den letzten dreißig Jahren ist das professionelle Niveau der akademischen Philosophie (der Philosophie von Professoren für Professoren) in Spanien deutlich gestiegen. Ein großer Teil der spanischen Philosophieprofessoren stehen, was ihre philologischen oder historischen Kenntnisse betrifft, ihren Kollegen im restlichen Europa in nichts nach. In den letzten Jahren sind auch einige «Alltagsphilosophen» aufgetaucht, also Philosophieprofessoren, die sich in der Tagespresse oder im Fernsehen zu aktuellen Themen äußern; und diese werden von den Medien auch, was in Spanien etwas ganz Neues ist, unter der Rubrik «Philosophen» vorgestellt. Selbstverständlich kann aber diese episodische, fragmentarische, dem Augenblick verhaftete Alltagsphilosophie als solche nicht mehr zu sein beanspruchen als ein soziologisch äußerst interessantes Phänomen.
Ich will dazu gar nicht mehr sagen, sondern lieber darauf warten, daß sich in den nächsten Jahren das klar absetzen wird, was jetzt noch trübe, ungeschieden und vermengt ist.